Frank-Mario Müllererkenntniszeit.de
Die Tricks des Ego - eine 'interessante' Betrachtung
Zwei ‚Persönlichkeiten‘ haben unser ganzes Leben in uns existiert. Die eine ist das kleine Ich: fordernd, kritisierend, berechnend, drohend, schwatzhaft, manchmal wütend und ängstlich gleichzeitig; die andere ist das verborgene, spirituelle Wesen, dessen weiser und leiser Stimme wir nur sehr selten gefolgt sind. Aus der erlernten Abkehr von unserem wirklichen Wesen entstehen die unterschiedlichsten Spannungen und Blockaden in der Innen- und in der Außenwelt.
Um nun die absurde Tyrannei des kleinen Ich zu beenden, begeben wir uns vielleicht dann irgendwann – nach großen Schmerzen, Krankheiten oder Problemen – auf die sogenannte spirituelle Suche, ohne zu ahnen, dass der Einfallsreichtum des Egos nahezu unerschöpflich ist. Es kann auf jeder Stufe unseren Wunsch, frei von ihm zu werden, untergraben und verdrehen. Immer wieder können wir beobachten, dass das kleine Ich einfache und klare Wahrheiten verkompliziert und verdreht, sobald diese Wahrheiten beginnen, uns tief im Inneren zu berühren und zu bewegen, weil es weiß, dass es gefährdet ist.
Zu Beginn, wenn wir von den Möglichkeiten, die uns der spirituelle (psychologische oder religiöse) Pfad bietet noch fasziniert sind, bestärkt uns das Ich vielleicht sogar und sagt: ‚Das ist ja wunderbar! Genau das Richtige für dich! Die Lehren sind vernünftig und einleuchtend! Es wird dir bestimmt immer besser gehen, wenn du dich darauf einläßt!‘
Dann lassen wir uns vielleicht auf die ersten Schulungen, Meditationen, Gebete oder Selbsterfahrungen ein und das Ich sagt: ‚Eine tolle Idee! Ich komme mit, wir werden viel lernen!‘ Während der ersten Zeit in der bewußten spirituellen Entwicklung wird uns das Ich ständig antreiben: ‚Das ist wunderbar, erstaunlich, inspirierend.....!‘
Und dann, sobald wir die Anfangsphase hinter uns gelassen haben und zum spirituellen ‚Vollwaschgang‘ kommen, d.h. wenn die Lehren und die Übungen beginnen, uns tief zu berühren, werden wir unausweichlich mit uns selbst konfrontiert. Das Ich wird entlarvt, seine wunden Stellen aufgedeckt, und alle möglichen Probleme können auftreten. Uns wird ein Spiegel vorgehalten und das, was uns aus dem Spiegel anschaut, wollen wir einfach nicht sehen – das wahre Gesicht unseres kleinen Ichs. Wir machen den Spiegel für das verantwortlich, was wir in ihm sehen.
Jetzt kommt die Zeit, in der wir vielleicht in Zorn geraten und uns bitterlich beklagen. Unser Ich steht treu an unserer Seite und stachelt uns an: ‚Du hast recht, das ist unverschämt und unerträglich. Laß dir das nicht gefallen, daß hast Du gar nicht nötig!‘ Und während wir ihm gebannt lauschen, fährt es fort, alle möglichen Zweifel und verklemmten und oft unterdrückten Emotionen heraufzubeschwören und Öl ins Feuer zu gießen: ‚Erkennst du jetzt, dass das einfach nicht die richtigen Lehren für dich sind? Du hattest es doch schon immer in deinem Gefühlt – oder? Dafür zahlst du auch noch Geld! Merkst du nicht, dass das nicht der richtige Lehrer/die richtige Lehrerin für dich ist? Du bist doch ein intelligenter und aufgeklärter Mensch, und so was wie Meditation, Gebet und überhaupt Spiritualität ist doch wohl eher was für ‚abgehobene‘ Menschen, die nicht richtig im Leben stehen! Welcher Nutzen kann darin schon für dich liegen?‘
Während das kleine Ich zuschaut, wie wir uns immer mehr in ein Netz verstricken, wird es ganz sicher auch noch den ganzen Schmerz, die Einsamkeit und sämtliche Schwierigkeiten auf dem Weg, die wir in der Konfrontation mit uns selbst durchmachen, den Lehren oder sogar dem Lehrer/Therapeuten anlasten: ‚Denen ist es im Endeffekt doch ganz gleichgültig, wie es dir geht! Die haben keine Ahnung, was du durchgemacht hast! Die wollen dich ohnehin bloß ausbeuten! Die benutzen Worte wie Mitgefühl, Liebe, Gott und Hingabe doch nur, weil sie dich in den Griff bekommen wollen!.....‘ (Anmerkung: Dies ist ein ganz rafiniertes Halbwissen, da es solche Motivationen ja wirklich gibt... siehe Sekten).
Ganz gemein ist auch die Masche des Egos, wenn es die Lehren oder die Lehrer zu weit über sich selbst stellt um das eigene Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen weiter zu sabotieren: ‚Das schaffst du nie, so weit bist du noch lange nicht! Diese Lehren sind einfach zu hoch für dich! Komm, lass es sein, das bringt ja sowieso nichts! Die sind hier alle viel weiter als du! Ich fühle mich in diesem Kreis nicht mehr 'zu Hause'! Ich werde hier nicht liebevoll genug abgeholt'‘ etc. etc. Manchmal steckt auch einfach nur eine viel zu große Ungeduld mit sich selbst dahinter.
Das Ich ist so gerissen, dass es alle Lehren zu seinem eigenen Nutzen verdrehen kann; man sagt ja auch: ‚Der Teufel versteht es, die Schriften zu seinem eigenen Vorteil zu zitieren‘. Wenn wir schließlich den Spiegel von uns selbst nicht mehr sehen wollen, ihn scheinbar nicht mehr ertragen können, greift das kleine Ich zu seiner letzten Waffe: Es zeigt scheinheilig mit dem Finger auf die Lehrer und ihre Anhänger bzw. Schüler und sagt: ‚Hier scheint niemand wirklich nach Wahrheit, Liebe und Verständnis zu suchen. Hier lebt niemand wirklich die Lehren.‘ Damit spielt sich das Ich zum selbstherrlichen Richter über jegliches Verhalten auf. Dies ist die übelste aller Rollen, um unseren Glauben und die Hingabe an Entwicklung in Geist und Seele zu untergraben.
Wie angestrengt das Ich aber auch versucht, diesen Weg zu sabotieren, wenn wir kontinuierlich weitermachen und mit Übungen der Meditation und des Loslassens in die Tiefe gehen, erkennen wir langsam, wie sehr wir uns von falschen Hoffnungen und leeren Versprechungen des Ich haben übertölpeln lassen. Wenn uns dies in der Gleichmut der Meditation klarer und deutlicher wird und wir nicht versuchen, uns darüber hinwegzutrösten oder das, was wir entdeckt haben, zu unterdrücken, dann erweisen sich all diese Intrigen und Pläne als hohl und beginnen, in sich zusammenzufallen.
Mit diesen, vielleicht erstmal schmerzhaften, Erkenntnissen kommt nach und nach ein Gefühl der inneren Weite, der Klarheit. Wenn wir dann unser Leben durch Disziplin und Übung vereinfachen, schränken wir die Möglichkeiten des Ich, uns zu verführen, ein. Wut, Aggression, Zweifel und Negativität bauen sich ab und wir erfahren die feinen Funktionsweisen unseres höheren Geistes und die tiefste Natur unserer wahren Wirklichkeit. Wir kehren zurück in die Freiheit.
Durchhalten ! :-)
grob angelehnt an Texte aus ‚Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben‘ von Sogyal Rinpoche © O. W. Barth Verlag
|